fek Museum Vussem Girards

Die Geschichte eines Industriestandorts

Im Museum/Archiv Neuhütte in Vussem wird jahrhundertealte Geschichte des Eisenindustrie- und Maschinenbau-Standortes Neuhütte ausgestellt – Eröffnung am Samstag, 25. April, in Vussem, Dörriestraße 2, – Förderverein hält seit der Insolvenz des Dörries-Scharmann-Konzerns 1996 die alten Firmenfarben hoch

Von Felix Kern

Mechernich-Vussem – Eine große Bohrmaschine der Marke „Girards“, die einmal in Vussem produziert wurde, springt zuerst ins Auge, wenn man das kleine Museum im Industrie- und Handelszentrum (IHZ) betritt, das am Samstag, 25. April in Vussem, Dörriesstraße 2, seine Pforten für Besucher öffnet.

„Unkaputtbar“, sagt Hans-Josef Schmitt, einer der Museums-Initiatoren. Das noch immer funktionstüchtige Bohraggregat von 1954 ist mit seinen fast drei Metern das größte Ausstellungsstück zwischen jahrhundertealten Dokumenten, Bildern von Fabrikarbeitern und maßstabgetreuen Modellen von kolossalen Dreh- und Fräsmaschinen der Marke Dörries, die in Vussem-Neuhütte fast ein halbes Jahrhundert lang gebaut und weltweit in über 60 Länder vertrieben wurden.

„Solche Kolosse mit einem Gewicht von bis zu 600 Tonnen vermochten den Bruchteil eines Haardurchmessers genau zu fräsen“, sagt Ex-Dörries-Ingenieur Wilhelm Mausbach stolz, einer von drei Ex-Dörries-Männern des harten Kerns, die jetzt eine Dokumentationsstätte für die 300jährige Geschichte der Metallverarbeitung und des Maschinenbaus in Vussem-Neuhütte gegründet haben.

Förderverein sponserte

Ausbildung der Dörries-Nachfolger

Das sind neben Mausbach Hans-Josef Schmitt und Albert Felser. Zum Vorstand des rund 70 Mitglieder zählenden Fördervereins gehören außerdem Herwig Dohmen, Franz Harperscheid, Kurt Rosarius und Karl-Josef Mauel. Der Verein geht auf die 1996 im Zuge des Niedergangs der Bremer Vulkanwerft Konkurs gegangene Dörries-Scharmann AG zurück. Sein Kapital ist die frühere Belegschaftskasse.

Mit diesen nicht unbeträchtlichen Finanzmitteln wurde zunächst die Lehrlingsausbildung der Dörries-Nachfolgefirmen EDM und MFT in Vussem gesponsert. Auch wurde eine historische Forschungsarbeit zum Industriestandort Vussem-Neuhütte davon in Auftrag gegeben und bezahlt, die den Grundstock für das jetzige Dokumentationszentrum schuf.

Die Historikerin Gabriele Emrich hat eine hundertseitige Expertise von den Anfängen der Vussemer Eisenindustrie 1722 bis zum Antritt von Dörries 1954 erstellt. Die Dörries-Firmengeschichte hat Wilhelm Mausbach ausgearbeitet, sodass der Förderverein bereits die Grundlagen für eine 300seitige Veröffentlichung zum neuen Museum/Dokumentationszentrum in Händen hält.

Schon lange vor dem früheren Baumaschinenkonzern Dörries-Scharmann wurde in Vussem-Neuhütte Eisen verhüttet und gegossen, mindestens seit 300 Jahren, wie die Museums- und Fördervereinsaktivisten Hans Josef Schmitt, Wilhelm Mausbach und Albert Velser im Vorfeld der Museumseröffnung berichteten.

Von der Eisenhütte

zum Weltunternehmen

Den Anfang machte im Januar 1722 der Gemünder Reit- und Hüttenmeister Johann Diedrich Rodscheidt, der erste Hochöfen und Auffrischöfen an Vey- und Hüttenbach betrieb. Die französisch-stämmige Familie Nikolaus Josef Depiereux aus Kohlscheid machte Vussem nach dem Hüttensterben Mitte des 19. Jahrhunderts wieder flott und goss in Neuhütte so ziemlich alles aus Eisen, was man in Haus, Hof und Landwirtschaft brauchte: Ackerwalzen und Radnaben, Viehkessel, Waffeleisen, Ofenroste und Feuertöpfe.

1881 wurde die Gießerei von den Brüdern Hubert, Valentin, Heinrich und Peter Girards übernommen und bald von Peter Girards allein weitergeführt. Aber erst dessen Ehefrau Magdalena Girards machte nach dem Tod ihres Mannes 1918 daraus eine Bohrmaschinenfabrik. Diese bestand bis 1954, zwischenzeitlich weitergeführt von Magdalena Girards Sohn Peter Girards Junior.

1954 machte die Firma Girards dann Konkurs und der Standort wurde, mitsamt der übrig gebliebenen Maschinen von der Maschinenbaufirma Dörries AG übernommen. Dazu gehörte auch die noch immer funktionstüchtige „Girards“-Bohrmaschine, die jetzt das Museum/Dokumentationszentrum in den ehemaligen Dörries-Verwaltungsräumen ziert.

Es war der Anfang einer Erfolgsgeschichte: In den nächsten 45 Jahren entwickelte sich Dörries zu einem Qualitäts-Maschinenbauer von Weltrang. Bis zu 350 Mitarbeitern waren am Standort Neuhütte beschäftigt.

Das kleine Museum zeigt die gesamte Geschichte des kleinen, aber bedeutenden Industriestandorts Vussem-Neuhütte. Nachdem der ehemals millionenschwere Dörries-Scharmann-Konzern 1996 in Konkurs ging, wurde der erwähnte Förderverein gegründet, der mit komplettem Namen „Verein zur Förderung und Erhaltung der Werkzeugmaschinentradition in der Eifel“ heißt.

Eheleute Hamacher stellten

Räume im IHZ zur Verfügung

Der Verein engagiert sich seitdem für das IHZ als Standort für Werkzeugindustrie und hat auch die Lehrlingsausbildung der Dörries-Nachfolgefirmen EDM und MFT finanziell unterstützt. Trotz dieser Bemühungen meldete auch MFT 2013 Konkurs an; ein Grund mehr für den Vereinsvorsitzenden Hans Josef Schmitt, das Museum zu eröffnen, um die uralte Industrietradition Vussems nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Zusammen mit Wilhelm Mausbach, genau wie Schmitt jahrzehntelanger Dörries-Mitarbeiter, und Albert Velser, der die Geschichte Vussems schon seit 40 Jahren erforscht, wurden die Pläne für das Museum vorangetrieben. Nachdem eine ursprünglich geplante Wanderausstellung in Kooperation mit Historikerin Gabriele Emrich nicht realisiert werden konnte, da kein Veranstalter gefunden wurde, fassten die Initiatoren den Entschluss, selbst ein Museum zu gründen.

Die passenden Räumlichkeiten stellten die Eheleute Heinrich und Sandra Hamacher im IHZ zur Verfügung. Dort ist jetzt mit 40 historischen Dokumenten, Urkunden und Bildern sowie 30 Exponaten in Form von Modellen und originalen Geräten wie der Girards-Bohrmaschine die Geschichte des Standortes Neuhütte ausgestellt.

Terminabsprachen für einen Besuch in Museum und Archiv sollte man vorher mit Albert Velser per Telefon unter 02484/1694 oder per E-Mail unter albert-velser@t-online.de absprechen. Velser gibt auf Anfrage auch kompetente Vorträge und Führungen.

pp/Agentur ProfiPress

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