Interview Anton Könen

Trara, die Post ist da!

150 Jahre Post in Mechernich: Heimatforscher Anton Könen, der selbst ein Berufsleben lang bei der Deutschen Bundespost beschäftigt war, sammelte Exponate, Geschichten und Erinnerungen – Erstes Postamt 1865 im Bahnhof eingerichtet – Karriolpost, Zahltag und ungewöhnliche Adressen

Mechernich – Ein Päckchen mit einer neuen Musik-CD, ein Schreiben vom Finanzamt, eine Rechnung vom Telefonanbieter oder eine Postkarte von Freunden mit einem Bild von Sonne, Strand und Meer:  Täglich schauen wir in den Briefkasten, warten auf Neuigkeiten und halten vielleicht auch noch einen Plausch mit dem Postboten – selbst wenn das Päckchen für den Nachbarn ist. Heute ist kaum vorstellbar, dass es nur 150 Jahre her ist, dass in Mechernich ein eigenes Postamt eingerichtet wurde.

Während es im benachbarten Kommern schon seit 1828 eine Postanstalt gab, mussten die Mechernicher noch weitere 37 Jahre ohne eine eigene Dependance der königlich preußischen Post auskommen.

Bis dahin bekamen Bergwerksbetreiber und Knappen, aber auch die anderen Briefempfänger im expandierenden Bleiberg-El-Dorado zweimal wöchentlich – nämlich montags und mittwochs – ihre Briefe von einem Kommerner Postboten zugestellt. Aus Köln war sie zuvor mit einem Pferdewagen, der sogenannten Karriolpost (französisch Carriole = Karren), nach Kommern gebracht worden.

Die Bergwerksbetreiber, so hat der Mechernicher Heimat-Historiker Anton Könen herausgefunden, hielten sich allerdings meistens nicht an diese staatlichen Postbeförderungsorgane, sondern gaben ihre Geschäftspost den Bleifuhrleuten nach Köln mit – auch wenn das damals mit Pferde- und Ochsenfuhrwerken eine ganze Woche dauern konnte.

 

Die Post kommt mit der Eisenbahn

 

Die Dinge änderten sich, als am 1. Juli 1865 die Eisenbahnstrecke Köln-Düren-Euskirchen-Mechernich in Betrieb genommen wurde. „Die Bahn wurde von da an zur Postsachenbeförderung benutzt und Mechernich hatte endlich eine direkte Postverbindung“, erklärt Anton Könen der Agentur ProfiPress.

In seinem umfangreichen Privatarchiv in Mechernich finden sich neben einem historischen Posthorn, Miniatur-Karriolposten und einem Schild der Deutschen Bundespost auch zwei alte Briefe. In schnörkeliger Schrift sind sie an den Vorstand der katholischen Pfarrkirche zu Glehn adressiert.

Die beiden Briefe stammen aus den Jahren 1891 und 1894 und sind mit roten Briefmarken der Reichspost zu zehn Pfennig frankiert. „Das war für die Postboten damals gar nicht so einfach“, erklärt Anton Könen, „denn anfangs vergaßen viele Leute, die Briefmarken aufzukleben und der Empfänger musste eine Strafgebühr zahlen. Hatte er die nicht im Haus, ging er im Dorf von Tür zu Tür, um sich den Betrag zusammen zu leihen.“

Zunächst war das Mechernicher Postamt im Bahnhof selbst untergebracht, später im linken Flügel des ehemaligen Hotels „Bleiberg“ und ab 1888 in einem Neubau an der Ecke Friedrich-Wilhelm-Straße/Johannesweg, das die Deutsche Reichspost 1924 für 34.000 Reichsmark kaufte.

 

Briefe zwischen Bergleuten und Dienstmädchen

 

Schnell entwickelte sich die Post zum beliebten Kommunikationsmittel. „Die Eifeler Mädchen gingen als Dienstmädchen nach Köln und schickten ihren Eltern Karten nach Hause, in denen sie schrieben, wie es ihnen geht“, erzählt Anton Könen.

Auch durch den Zustrom von immer mehr Bergleuten nach Mechernich wuchs die Zahl der Briefsendungen, denn viele der Beschäftigten pendelten zwischen Wohn- und Arbeitsort hin und her und schickten unter der Woche Karten oder Briefe an ihre Familien. 1914 bestand das Personal im Mechernicher Postamt bereits aus 15 Beamten.

Ergänzt wurde das Angebot der Mechernicher Post von einer Telegrafen-Betriebsstelle (ab 1875), von einer Fernsprechvermittlungsstelle mit den ersten elf Telefonanschlüssen (ab 1901) und von einer öffentlichen Sprechstelle, die jedermann zum Telefonieren benutzen konnte. Zum Amtsbereich gehörten damals die Postagenturen Breitenbenden, Eiserfey, Strempt und Bleibuir sowie eine Posthilfsstelle und vier Telegrafenhilfsstellen in Bergheim, Lorbach, Lückerath, Roggendorf und Vussem. Im Ortsbereich Mechernich gab es vier Briefkästen, im Landzustellbereich elf.

1931 wurde die Post auf die Zustellung per Kraftwagen umgestellt. Zusätzlich wurden zum 1. Oktober 1932 fünf Kraftpostlinien eingerichtet, die nicht nur Briefe und Pakete, sondern auch Personen beförderten. Anton Könen war selbst 22 Jahre lang als Omnibusfahrer – das nannte sich damals noch „Kraftpostfahrer“ – für die Post unterwegs: „Mit diesen Buslinien haben wir die Leute vom platten Land zu den Verwaltungs- und Krankenzentren befördert.“

Zur gleichen Zeit wurden dem Postamt Mechernich weitere Postagenturen aus den Bereichen Blankenheim, Münstereifel und Euskirchen zugeteilt. Mit 29 Poststellen und zwei Posthilfsstellen sowie einem Versorgungsumkreis von insgesamt 43 Kilometern wurde Mechernich zum postalischen Mittelpunkt der Region.

 

Zerstörungen beim Luftangriff Weihnachten 1944

 

Im Zweiten Weltkrieg kam es am Ersten Weihnachtstag im Jahr 1944 zu einem verhängnisvollen Ereignis: Bei einem Luftangriff um die Mittagszeit wurde das Postamt gegenüber des Bahnhofs so stark beschädigt, dass das Wohnen und Arbeiten dort unmöglich wurde. Im gesamten Gebäude war kein einziges Fenster mehr ganz, und die Bombe hatte auch die Treppe zu den Innenräumen weggerissen.

Während der Dienstbetrieb ins Vereinshaus in der Bruchgasse verlegt wurde, harrte Telegrafenleitungsaufseher Gierling trotz anhaltender Fliegerangriffe in dem beschädigten Amt aus. Jeden Tag kletterte er über eine provisorische Holzleiter in seinen Dienstraum. So hielt er den Fernsprechbetrieb bis zum Einmarsch der Amerikaner am 6. März 1945 in Mechernich aufrecht.

Auch die Briefträger mussten sich vor den Tieffliegerangriffen in Acht nehmen und verlegten ihre Touren deshalb in die Dunkelheit des frühen Morgens und des späten Abends.

Nach Kriegsende wurde der Postverkehr (zumindest eingeschränkt) schnell wieder aufgenommen – und zwar im Keller des Amtes. Da allerdings keine Kraftwagen mehr zur Verfügung standen, musste der Zustellbereich mit einem Umkreis von immerhin 35 Kilometern noch bis Januar 1946 zu Fuß versorgt werden. Vor allem im Winter hatten die Postboten damit keine leichte Aufgabe.

Abhilfe wurde Anfang 1946 schließlich durch Zuteilung eines früheren Militärkübelwagens geschaffen. Über den Rücksitzen des Geländewagens wurde eine Blechkiste aufgesetzt, mit der die Post transportiert werden konnte. Anfang der 1950er Jahre fuhren dann endlich auch wieder Omnibusse der Post im Linienverkehr.

Anton Könen erinnert sich an seine Dienstzeit als Postbeamter: „Als Zusteller brachte man den Menschen Freud und Leid ins Haus: Die einen bekamen eine Trauerkarte, die nächsten eine Hochzeitsanzeige.“

Viele der Menschen standen schon wartend auf der Straße, wenn er mit der Post kam. Natürlich wurde dann auch der neueste Klatsch ausgetauscht. Manchmal war es allerdings auch nötig, dass der Briefträger „alles wusste“, denn einige Briefeschreiber hatten sich ungewöhnliche Adressen einfallen lassen.

So wurde im Postamt gegrübelt, wem man die Briefe zustellen sollte, die an die „Miss Rursee in Mechernich“ oder an den „besten Turner im Turnverein“ adressiert waren.

 

Bitte nachzählen: 480.000 D-Mark

 

Als Postbeamter hatte Anton Könen es bei der Arbeit auch mit nicht unbedeutenden Geldsummen zu tun. Die Postzusteller kassierten früher zum Beispiel die Rundfunkgebühren und zahlten die Renten in bar aus. „An Zahltagen kamen dann schon mal 480.000 D-Mark nach Mechernich, die nachgezählt werden mussten“, erinnert er sich.

Ab Mitte der 1950er Jahre begann die Deutsche Bundespost damit, ihre Ämter zu zentralisieren. Nach und nach wurde so auch das Postamt Mechernich mit bis dahin eigener Verwaltung demontiert: Personalstelle, Hauptkasse, Landpoststelle und Kraftpoststelle wurden Zug um Zug dem Postamt Euskirchen angeschlossen. Aus dem selbstständigen Postamt Mechernich wurde ein Zweigpostamt von Euskirchen.

In einer zweiten Welle der Zentralisierung wurden ab Juli 1974 fast alle Poststellen II des Stadtgebietes aufgelöst. Seitdem sind die Zusteller mit dem PKW von Mechernich aus unterwegs und fahren die Post jeden Morgen in den zugehörigen Ortschaften aus.

Nach mehreren Umbauten des alten Postamtes an der Ecke Friedrich-Wilhelm-Straße/Johannesweg wurde der Dienstbetrieb dort nach 110 Jahren im August 1998 aufgegeben und die Post wurde in private Hände übergeben. Zunächst kam sie – nach dem Shop-in-Shop-Prinzip – in den Rewe-Markt in der Mechernicher Gartenstraße. Seit 2010 befindet sich die Post-Filiale in der Brunnenpassage am Mechernicher Markt.

pp/Agentur ProfiPress

Bildquellen:

  • Interview Anton Könen: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress